Sonderstrafrecht im Wirtschafts- und Immaterialgüterrecht
Verstöße gegen wirtschaftsrechtliche Spezialgesetze (etwa Aktienrecht, Wettbewerbsrecht oder Immaterialgüterrechte) können strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Als Strafverteidiger gilt es, die typischen Risiken und Vorwürfe aus diesen Gesetzen zu kennen und effektiv zu begegnen. Untenstehend finden Sie eine strukturierte Übersicht der wichtigsten Strafbestimmungen in den genannten Gesetzen – jeweils mit Fokus auf typische Vorwürfe und Verteidigungsansätze. Abschließend beantworten wir häufige Mandantenfragen (FAQ) zum Sonderstrafrecht.
Vielzahl spezieller Strafnormen
In diversen Wirtschafts- und IP-Gesetzen lauern Steuerbarkeitsrisiken – von falschen Angaben im Gesellschaftsrecht bis zum Marken- oder Insider Verstößen. Bis zu 3-5 Jahre Freiheitsstrafe sind keine Seltenheit, in schweren Fällen sogar mehr.
Vorsatz als Strafbarkeitsgrenze
Häufig wird erst vorsätzliches Handeln zur Straftat: Viele Wirtschafts Verstöße sind nur bei Vorsatz strafbar (z.B. Marken- oder Patentverletzung). Fahrlässige oder geringfügige Verstöße ziehen oft „nur“ Bußgeld nach sich.
Verteidigungschancen nutzen
Aus Verteidigersicht bestehen Chancen, Vorwürfe abzuwehren: Fehlender Vorsatz, Rechtsirrtum oder Zweifelsfragen können zugunsten des Beschuldigten wirken. Etwaige Compliance-Maßnahmen im Unternehmen helfen, Pflichtverletzung zu relativieren.
Gesellschaftsrechtliche Strafvorschriften (AktG, GmbHG, UmwG)
- Aktiengesetz (AktG) – Falsche Angaben und Geheimnisverstöße: Das AktG enthält eigene Straftatbestände für z.B. unwahre Angaben gegenüber Aktionären oder Aufsichtsbehörden sowie Verstöße gegen die Verschwiegenheitspflicht. Klassische Fälle sind falsche Bilanzen, unrichtige Darstellungen in Börsenprospekten oder das Ausplaudern von Betriebsgeheimnissen. Strafrahmen: Typischerweise bis 3 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe. Verteidigung: Hier kommt es oft darauf an, Vorsatz zu bestreiten. War die fehlerhafte Angabe vielleicht ein Versehen oder beruhte sie auf einer vertretbaren Rechtsauslegung? Ein erfahrener Verteidiger prüft, ob ein Verbotsirrtum (Unkenntnis der Rechtswidrigkeit) vorliegt – allerdings ist zu beachten: „Unwissenheit schützt nicht vor Strafe“ gilt grundsätzlich auch hier. Eine Verteidigungsstrategie kann sein, darzulegen, dass der Beschuldigte auf Experten (z. B. Steuerberater, Rechtsanwälte) vertraut hat und daher kein vorsätzliches Fehlverhalten vorlag.
- GmbH-Gesetz (GmbHG) – Gründungsverstöße und Kapitalmaßnahmen: Ähnlich wie im AktG macht das GmbHG falsche Angaben strafbar, z.B. beim GmbH-Gründungsprozess (etwa über Einlagen oder Gesellschafter) oder bei Kapitalerhöhungen. Ein Geschäftsführer, der in den Registerangaben unwahre Aussagen über das Stammkapital macht, kann belangt werden. Strafrahmen: ebenfalls bis 3 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe. Daneben gibt es Bußgeldtatbestände für geringere Verstöße. Verteidigung: Auch hier steht der Willensvorwurf im Zentrum. Der Verteidiger wird hervorheben, wenn keine Bereicherungsabsicht oder bewusste Täuschung vorlag – z.B. falls der Mandant die Rechtsanforderungen missverstanden hat. Oft lassen sich komplexe gesellschaftsrechtliche Vorgänge so darstellen, dass ein Irrtum naheliegt statt Vorsatz.
- Umwandlungsgesetz (UmwG) – Unrichtige Angaben bei Fusion/Spaltung: Das UmwG sanktioniert insbesondere unrichtige Darstellungen in den Dokumenten einer Unternehmensumwandlung. Beispielsweise macht sich strafbar, wer in einem Verschmelzungs- oder Spaltungsbericht die Vermögenslage eines Unternehmens falsch wiedergibt oder gegenüber dem Prüfer unvollständige Auskünfte erteilt. Strafrahmen: bis 3 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe. Verteidigung: Hier sind die Sachverhalte oft technisch und umfangreich. Die Verteidigung kann ansetzen, indem sie Entlastungsbeweise in den komplexen Bewertungsfragen findet – etwa, dass unterschiedliche Wirtschaftsprüfer zu abweichenden Einschätzungen kommen könnten. Wenn erkennbar wird, dass keine vorsätzliche Verschleierung vorlag, besteht die Chance auf Einstellung des Verfahrens. Zudem wird geprüft, ob der Vorwurf nicht schon durch zivilrechtliche Prüferbeanstandungen abgedeckt ist, um Doppelbestrafung zu vermeiden.
Immaterialgüterrechtliche Strafbarkeit (MarkenG, UrhG, PatG, DesignG)
- Marken- und Designrecht – Produktpiraterie und Kennzeichenverletzungen: Das MarkenG stellt vorsätzliche Verletzungen von Markenrechten unter Strafe. Klassische Fälle: Produktpiraterie (wissentliches Inverkehrbringen gefälschter Markenware) oder unerlaubte Markennutzung in großem Stil. Ähnliches gilt im DesignG für eingetragene Designs. Strafrahmen: meist bis 3 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe (in schweren Fällen – z.B. gewerbsmäßig oder Bandenbegehung – höher). Wichtig: Solche Taten werden regelmäßig nur auf Antrag des Rechteinhabers verfolgt, außer bei gewerbsmäßigen oder bandenmäßigen Fällen. Verteidigung: Aus Verteidigersicht ist zu prüfen, ob tatsächlich eine Markenverletzung vorliegt – etwa ob Verwechslungsgefahr bestand. Oft kann geltend gemacht werden, der Mandant habe die Marke gar nicht gekannt oder sei von einem gültigen Parallelimport ausgegangen. Weil ein Strafantrag nötig ist, gibt es die Chance, durch Verhandlungen mit dem Markeninhaber (z.B. Schadenswiedergutmachung) eine Rücknahme des Antrags zu erreichen und das Verfahren zu beenden.
- Urheberrecht (UrhG) – illegale Verwertung geschützter Werke: Größere Verstöße gegen das Urheberrechtsgesetz – etwa gewerbsmäßiges Verbreiten von Raubkopien (Musik, Film, Software) – sind strafbar. Strafrahmen: bei normaler Verletzung bis 3 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe; gewerbsmäßige Fälle (großer Stil, professioneller Vertrieb) auch bis 5 Jahre. Auch hier gilt: meist ist ein Strafantrag des Verletzten erforderlich (§ 109 UrhG), außer bei gewerbsmäßiger Begehung. Verteidigung: Zentrale Fragen sind Vorsatz und Umfang: War dem Beschuldigten bewusst, dass er Urheberrechte verletzt? Handelte er gewerbsmäßig (mit Gewinnerzielungsabsicht)? Die Verteidigung kann argumentieren, es habe sich um privates Handeln ohne Verkaufsabsicht gehandelt – oder die Anzahl der verteilten Kopien sei so gering, dass kein öffentliches Strafverfolgungsinteresse besteht. Zudem lässt sich prüfen, ob z.B. ein Upload wirklich vom Anschluss des Mandanten aus erfolgte (Stichwort: Mitbenutzer, WLAN-Sicherheit), um Zweifel an der Täterschaft zu säen.
- Patentrecht (PatG) – Patentverletzung: Auch das Patentgesetz kennt eine Strafnorm (§ 142 PatG). Vorsätzliche Benutzung einer patentierten Erfindung ohne Erlaubnis (z.B. Herstellung und Verkauf eines patentgeschützten Produkts ohne Lizenz) kann mit bis zu 3 Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe geahndet werden. Allerdings werden Patentstraftaten in der Praxis selten verfolgt – meist nur auf Strafantrag des Patentinhabers. Verteidigung: Hier steht oft die Frage im Vordergrund, ob der Beschuldigte Kenntnis vom Patent hatte. Die Verteidigung wird betonen, wenn das Patent nicht bekannt oder der Schutzumfang unklar war. Da Patentansprüche technisch kompliziert sind, kann häufig argumentiert werden, man habe guten Gewissens angenommen, das eigene Produkt falle nicht unter den Patentschutz. Zudem wird der Verteidiger prüfen, ob das Patent vielleicht nachträglich für nichtig erklärt wurde – in einem solchen Fall entfällt die Strafbarkeit rückwirkend. Nicht zuletzt besteht, wie bei Marken, die Möglichkeit einer außergerichtlichen Einigung mit dem Rechteinhaber, um den Strafantrag zurückzuziehen.
Wettbewerbs- und Kartellrechtliche Risiken (GWB, UWG)
- Kartellrecht (GWB) – illegale Absprachen, Ordnungswidrigkeit vs. Straftat: Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die den Wettbewerb beschränken (Preisabsprachen, Marktaufteilungen u.ä.), sind nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen zunächst keine Straftat, können aber als Ordnungswidrigkeit mit enormen Bußgeldern geahndet werden. So drohen Geldbußen bis zu 1 Mio. € für beteiligte Personen und bis zu 10 % des Jahresumsatzes für Unternehmen. Eine unmittelbare Strafnorm für Kartellabsprachen existiert nicht – Ausnahme: Absprachen bei Ausschreibungen (§ 298 StGB, oft „Submissionsabsprachen“ genannt) sind strafbar. Wer also z.B. bei einer öffentlichen Ausschreibung ein Angebot aufgrund einer geheimen Absprache abgibt, macht sich strafbar und riskiert bis zu 5 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe. Zudem kann in krassen Kartellfällen ausnahmsweise Betrug (§ 263 StGB) vorliegen, wenn Kunden durch ein Kartell übervorteilt werden, doch der Nachweis ist schwierig. Verteidigung: Im Kartellverfahren steht häufig die Zusammenarbeit mit den Behörden im Fokus. Ein Verteidiger wird abwägen, ob Mandanten als Kronzeuge auftreten sollten, um Straffreiheit bzw. Bußgelderlass zu erlangen – das Bundeskartellamt honoriert Selbstanzeigen (Bonusregelung). Andernfalls gilt es, die Beweislage anzufechten: War die Kommunikation wirklich eine verbotene Absprache oder vielleicht ein zulässiger Informationsaustausch? Schon kleine Unklarheiten können verhindern, dass der Tatbestand gerichtsfest nachgewiesen wird. Bei einem möglichen § 298 StGB-Vorwurf (Ausschreibung) muss geprüft werden, ob tatsächlich ein „manipuliertes Angebot“ abgegeben wurde – oft ist hier die Intention entscheidend.
- Unlauterer Wettbewerb (UWG) – irreführende Werbung, Schneeballsysteme: Das UWG sanktioniert besonders gravierende Fälle unlauteren Verhaltens auch strafrechtlich. Beispielhafte Straftatbestände: Irreführende Werbung (§ 16 UWG) – etwa wenn bewusst mit falschen Tatsachen geworben wird – oder das Betreiben von Schneeballsystemen (§ 16 Abs.2 UWG). Bis 2019 waren auch Geschäftsgeheimnis-Verstöße im UWG unter Strafe (§§ 17–19 UWG a.F.); diese wurden jedoch ins separate GeschGehG ausgelagert. Strafrahmen: bis 2 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe für die genannten Delikte. Geringere UWG-Verstöße (z.B. unzulässige Werbeanrufe) stellen nur Ordnungswidrigkeiten dar (§ 20 UWG) und werden mit Bußgeldern (bis 50.000 € bzw. 4 % des Vorjahresumsatzes) geahndet. Verteidigung: Hier dreht sich vieles um die Auslegung. War die Werbung wirklich ”irreführend” aus Sicht eines durchschnittlichen Verbrauchers? Solche Fragen bieten Verteidigungsspielraum – im Zweifel Gutachten zur Verkehrsauffassung. Bei Vorwürfen wie Schneeballsystem wird zu prüfen sein, ob das Konzept des Unternehmens tatsächlich die Merkmale eines verbotenen Pyramidenspiels erfüllt hat. Da UWG-Strafsachen oft durch Mitbewerber-Anzeigen initiiert werden, kann der Verteidiger auch die Motivation des Anzeigenden beleuchten (z.B. rein wirtschaftliche Interessen), um die Staatsanwaltschaft von geringem öffentlichem Interesse zu überzeugen und auf Einstellung hinzuwirken.
Finanz- und Kapitalmarktstrafrecht (WpHG, WpÜG, BörsG, KWG)
- Insiderhandel & Marktmanipulation (WpHG/BörsG) – Kapitalmarktverstöße: Das Wertpapierhandelsgesetz stellt Insiderhandel (§ 119 WpHG) und Marktmanipulation (§ 119 WpHG / §§ 39, 48 BörsG) unter Strafe. Typische Vorwürfe: Ein Unternehmensinsider nutzt vertrauliche Informationen, um Aktiengewinne zu erzielen, oder jemand verbreitet falsche Gerüchte, um den Börsenkurs zu beeinflussen. Strafrahmen: in der Regel bis 5 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe. Schon der Versuch ist strafbar. In besonders schweren Fällen – z.B. gewerbsmäßig oder bandenmäßig durch Finanzdienstleister – gilt Insiderhandel/Marktmanipulation als Verbrechen mit Strafrahmen 1 bis 10 Jahre. Verteidigung: Diese Verfahren sind oft sehr komplex, da sie Finanzmarktlogik und Kommunikationsdaten auswerten. Aus Verteidigersicht ist es entscheidend zu prüfen: War die Information tatsächlich “Insiderinformation” im Sinne des Gesetzes (harter Kursbeeinflussungsfaktor)? Konnte der Mandant das Wissen überhaupt als Insider erlangen? Oft ist strittig, ob ein Kurs überhaupt manipuliert wurde oder ob andere Marktgründe für Preisbewegungen verantwortlich waren. Ein Verteidiger arbeitet eng mit Finanz-Experten zusammen, um ein alternatives Szenario darzulegen. Zudem wird hinterfragt, ob die Ermittler alle Formalitäten eingehalten haben – beispielsweise darf die BaFin nur bei konkretem Tatverdacht die Staatsanwaltschaft einschalten. Lücken in den Überwachungsmaßnahmen oder fehlende Vorsatzbeweise (z. B. bloßes „gutgläubiges Handeln“) können zur Entlastung führen.
- Übernahmerecht (WpÜG) – Verstöße bei Firmenübernahmen: Im Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz sind Transparenzpflichten bei Übernahmen geregelt. Beispielsweise muss ab bestimmten Beteiligungsschwellen ein Pflichtangebot an alle Aktionäre gemacht und bestimmte Fristen eingehalten werden. Typische Vorwürfe: Ein Investor unterlässt trotz Überschreiten der Beteiligungsquote die Veröffentlichung oder Abgabe eines Pflichtangebots, oder es werden unrichtige Angaben im Angebotsdokument gemacht. Solche Verstöße gelten überwiegend als Ordnungswidrigkeiten und ziehen empfindliche Geldbußen durch die BaFin nach sich. Bei vorsätzlichen Verstößen – etwa bewusstes Umgehen der Vorschriften durch Strohmann-Konstruktionen – kann aber ein Strafverfahren wegen Marktmanipulation oder Betrugs relevant werden (z.B. wenn Aktionäre bewusst getäuscht wurden, um günstig Anteile zu erwerben). Verteidigung: Die Verteidigungsstrategie liegt oft darin, die FormalCompliance des Mandanten zu betonen: Wurde vielleicht versehentlich eine Frist übersehen, aber nicht in Täuschungsabsicht? Gerade das WpÜG ist technisch komplex – hier kann argumentiert werden, dass der Mandant die Regelung falsch interpretiert hat (z.B. Rechtsirrtum über Meldepflichten). Ist bereits ein Bußgeldverfahren anhängig, wird die Verteidigung darauf drängen, dass es bei der ordnungspolitischen Ahndung (Bußgeld) bleibt und kein zusätzliches Strafverfahren eröffnet wird (Grundsatz „Kein Doppelbestrafung“ für denselben Sachverhalt).
- Kreditwesengesetz (KWG) – Bankaufsichtsrechtliche Verstöße: Das KWG stellt sicher, dass nur lizenzierte Institute Bankgeschäfte betreiben. Unerlaubte Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen ohne BaFin-Erlaubnis sind strafbar. Beispiel: Jemand sammelt ohne Banklizenz Gelder ein und betreibt „Einlagengeschäft“. Strafrahmen: bis 5 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe (fahrlässige Fälle bis 3 Jahre). Darüber hinaus sind auch falsche Angaben gegenüber der Bankenaufsicht oder Verstöße gegen bestimmte Auflagen strafbewehrt. Verteidigung: Im KWG-Bereich kommt es häufig vor, dass sich Beschuldigte nicht bewusst waren, eine Erlaubnis zu benötigen – z.B. weil das Geschäftsmodell als „Grauzone“ erschien. Allerdings gilt auch hier: Die Unkenntnis schützt nicht automatisch. Die Verteidigung kann aber ansetzen, indem sie einen unvermeidbaren Verbotsirrtum darlegt – etwa weil selbst aufwändige Rechtsberatung das Erlaubniserfordernis nicht klar aufgezeigt hat. Außerdem prüft der Verteidiger die Verhältnismäßigkeit des Vorgehens: Oft hat die BaFin zunächst Maßnahmen ergriffen (Untersagungsverfügung, Abwicklung des Geschäfts), bevor die Staatsanwaltschaft eingeschaltet wurde. Wenn der Mandant kooperativ das Geschäft eingestellt hat, kann argumentiert werden, dass kein öffentliches Strafverfolgungsinteresse mehr besteht. Schließlich wird geprüft, ob wirklich ein Bankgeschäft im gesetzlichen Sinne vorlag – die Begriffe sind eng definiert. Gelingt es, die Tätigkeit als erlaubnisfrei darzustellen (z.B. als bloße Vermögensverwaltung und nicht als Einlagengeschäft), entfällt der Strafvorwurf.
Häufige Fragen von Mandanten (FAQ)
Unerlaubte Bankgeschäfte (§ 54 KWG) werden mit bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bestraft. Beispiel: Jemand nimmt ohne BaFin-Erlaubnis Gelder als Einlagen an – das ist illegal. Selbst fahrlässiges Handeln (Unwissenheit) kann bis zu 3 Jahren Freiheitsstrafe nach sich ziehen. Zusätzlich kann die BaFin sofort einschreiten, das Geschäft schließen und Gewinne abschöpfen. Wichtig: Auch wenn man glaubt, nichts Unrechtes zu tun – Unwissenheit schützt nicht vor Strafe. Daher immer früh klären, ob eine behördliche Erlaubnis nötig ist. Bei einem laufenden Verfahren wird Ihr Verteidiger darauf hinwirken zu zeigen, dass kein Vorsatz vorlag und Sie ggf. auf falschen Rat vertraut haben, um eine milde Sanktion oder Verfahrenseinstellung zu erreichen.
Oft entscheidet der Vorsatz. Viele Vorschriften kennen bei fahrlässigen Verstößen nur Bußgelder, aber bei vorsätzlichen Verstößen eine Straftat. Beispiel: Irreführende Werbung (§ 16 UWG) ist nur strafbar, wenn sie wissentlich erfolgt – ein Versehen wäre höchstens eine Ordnungswidrigkeit. Marken- oder Patentverletzungen sind nur bei Vorsatz strafbar; wer unbeabsichtigt ein fremdes Zeichen nutzt, dem drohen zivilrechtliche Folgen, aber keine Strafe. Im Kapitalmarktrecht zieht vorsätzliches Insider-Trading ein Strafverfahren nach sich, während bei bloßem Versehen (so etwas kommt dort selten vor) ggf. von Vorsatz nicht ausgegangen werden kann. Kartellverstöße wiederum sind an sich Ordnungswidrigkeiten mit Bußgeld – erst wenn z.B. in einer Ausschreibung bewusst getrickst wird, liegt eine Straftat (§ 298 StGB) vor. Kurzum: Wird eine Handlung bewusst und mit Wissen um ihren rechtswidrigen Charakter begangen, kann aus dem Regelverstoß eine Straftat werden. Die Verteidigung setzt daher häufig genau dort an: Lässt sich der Vorsatz entkräften, fällt der Vorwurf meist aus dem Strafbaren heraus.
In vielen Fällen beide, jedoch auf unterschiedlichen Ebenen. Strafrechtlich wird in erster Linie die handelnde Person zur Verantwortung gezogen (nur Menschen können sich strafbar machen). Das Unternehmen selbst kann aber über das Ordnungswidrigkeitenrecht belangt werden: Nach § 30 OWiG kann gegen die Firma eine Geldbuße verhängt werden, wenn z.B. ein Manager eine Straftat zu Gunsten des Unternehmens begangen hat. Beispiel: Ein Geschäftsführer manipuliert Zahlen – er riskiert eine Verurteilung, die Firma möglicherweise ein Bußgeld wegen Organisationsverschuldens. Außerdem gibt es die Aufsichtspflichtverletzung (§ 130 OWiG): Hat die Leitung es an der notwendigen Überwachung fehlen lassen und kam es so zu Gesetzesverstößen im Betrieb, kann das Unternehmen ebenfalls mit Bußgeld belegt werden. Aus Verteidigungssicht wird versucht, eine Doppelbestrafung zu vermeiden. Oft argumentiert man, dass bereits die Unternehmensseite mit z.B. einem Millionenbußgeld zur Rechenschaft gezogen wurde und daher bei der Managerpersönlichkeit Zurückhaltung geboten ist. Gleichwohl: Eine persönliche Strafverfolgung wird nicht einfach durch eine Unternehmenszahlung “ersetzt”. Jedoch kann in Verhandlungen eine Art Gesamtlösung erzielt werden – etwa dass gegen das Unternehmen ein höheres Bußgeld ergeht, dafür das Verfahren gegen verantwortliche Mitarbeiter eingestellt wird. Das hängt vom Einzelfall ab und erfordert geschicktes Taktieren der Verteidigung.
Das hängt vom Delikt ab. Grundsatz: Straftaten werden von Amts wegen verfolgt (Staatsanwaltschaft ermittelt automatisch). Es gibt aber Ausnahmen – Antragsdelikte –, bei denen ein Strafantrag des Geschädigten nötig ist. Im Wirtschaftsrecht sind z.B. Marken- und Patentdelikte typischerweise Antragsdelikte: Ohne Antrag des Rechteinhabers passiert strafrechtlich nichts (die meisten Rechteinhaber setzen zunächst auf zivilrechtliche Abmahnungen). Auch Urheberrechtsverletzungen (§ 109 UrhG) erfordern meist einen Antrag. Wettbewerbsdelikte nach UWG wiederum werden häufig von Mitbewerbern angezeigt – hier ist formal zwar kein Strafantrag nötig, aber in der Praxis stellt die geschädigte Firma oft einen Strafantrag (z.B. bei Betriebsgeheimnisverrat nach GeschGehG). Kapitalmarkt- und Finanzstraftaten (Insiderhandel, Bankgeschäfte ohne Erlaubnis etc.) werden immer von Amts wegen verfolgt, oft auf Hinweis der Aufsichtsbehörden (BaFin). Als Mandant sollte man wissen: Ein Strafantrag ist eine Prozesserklärung des Verletzten, dass er Strafverfolgung wünscht. Frist: meist 3 Monate ab Kenntnis von Tat und Täter (§ 77b StGB). Wird kein Antrag gestellt, kann die Tat – vorbehaltlich öffentlichen Interesses – nicht verfolgt werden. Das nutzt der Verteidiger: Er kann versuchen, den Geschädigten durch Wiedergutmachung dazu zu bewegen, (noch) keinen Strafantrag zu stellen oder ihn zurückzunehmen, um das Strafverfahren zu verhindern.
Ein Strafantrag ist der formelle Wille eines Verletzten, dass eine bestimmte Straftat verfolgt werden soll (§ 77 StGB). Er ist bei sogenannten Antragsdelikten erforderlich – das Gesetz sagt dann “wird nur auf Antrag verfolgt”. Beispiele: Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch – aber auch viele Wirtschaftsstraftaten wie Markenverletzung oder Urheberrechtsverstöße (§ 109 UrhG). Ohne fristgerechten Antrag (idR 3 Monate ab Kenntnis von Täter und Tat) passiert nichts – die Staatsanwaltschaft darf nicht von sich aus tätig werden. Ausnahme: Sie kann trotz fehlenden Antrags einschreiten, wenn sie ein “besonderes öffentliches Interesse” bejaht. In der Unternehmenspraxis bedeutet das: Wird Ihre Firma z.B. wegen Markenverletzung beschuldigt, kommt es oft darauf an, ob der Markeninhaber Strafantrag stellt. Aus Verteidigersicht versucht man, durch Verhandlungen (Schadensersatz, Unterlassung) den Strafantrag abzuwenden. Bei Offizialdelikten (wo kein Antrag nötig ist) gibt es dieses “Druckmittel” nicht; dort läuft das Verfahren automatisch an, sobald die Behörden davon erfahren.
Grundsätzlich gilt zwar „Unwissenheit schützt nicht vor Strafe“, aber tatsächlich kann eine falsche Rechtsberatung unter Umständen den Vorwurf mildern oder entkräften. Im Strafrecht spricht man vom Verbotsirrtum (§ 17 StGB): Wer aufgrund falscher rechtlicher Beratung davon ausging, rechtmäßig zu handeln, dem kann unter Umständen die Schuld fehlen. Allerdings muss dieser Irrtum unvermeidbar sein – d.h. man musste sich ernsthaft um Rechtsklarheit bemüht haben. Beispiel: Ein Unternehmer fragt explizit einen Fachanwalt oder die Behörde an, ob für ein bestimmtes Geschäftsmodell eine Lizenz nötig ist. Wird ihm versichert, es sei alles in Ordnung, und stellt sich das später als falsch heraus, hat er gute Karten, straffrei auszugehen (unvermeidbarer Rechtsirrtum). Einfach zu sagen „Mein Anwalt hat aber gesagt, das geht schon klar“ reicht indes nicht immer – vor Gericht muss glaubhaft gemacht werden, dass man auf die Expertise vertrauen durfte. Aus Verteidigersicht wird dieses Argument oft vorgebracht, um zumindest Vorsatz zu verneinen. Selbst wenn der Irrtum vermeidbar war, kann das Gericht die Strafe mildern. Wichtig ist, alle Dokumentationen der Beratung vorzulegen. In der Praxis sind Fälle, in denen eine Beratung komplett von Schuld frei zeichnet, selten – aber die nachweisliche Einholung von Rechtsrat zeigt zumindest, dass kein absichtlicher Rechtsbruch vorlag.
Das ist ein Begriff aus dem Ordnungswidrigkeitenrecht (§ 130 OWiG). Unternehmensleiter haben die Pflicht, in ihrem Betrieb alle zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, damit es nicht zu Gesetzesverstößen kommt. Vernachlässigen sie diese Aufsicht und es passiert dadurch eine Zuwiderhandlung, spricht man von einer Aufsichtspflichtverletzung. Beispiel: In einem Unternehmen verkauft ein Mitarbeiter jahrelang unerlaubt Produkte unter Verstoß gegen Umweltauflagen, weil es keine Kontrollen gibt. Die Geschäftsführung hat organisatorisch versagt – möglicherweise liegt eine Aufsichtspflichtverletzung vor. Diese ist selbst keine Straftat, aber eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße geahndet werden kann. Außerdem dient § 130 OWiG als Anknüpfungspunkt, um über § 30 OWiG eine Unternehmensgeldbuße zu verhängen. Für Praktiker wichtig: Die Behörde muss der Führungskraft konkret vorwerfen, welche Überwachungsmaßnahme gefehlt hat. Verteidigung: Man zeigt, dass das Unternehmen eigentlich gut organisiert war (Compliance-System, Schulungen, Kontrollen) und der Verstoß ein Ausreißer war, den auch größte Sorgfalt nicht hätte verhindern können. Gelingt das, entfällt der Vorwurf. Große Skandale (z.B. Korruption bei Siemens) wurden über § 130 OWiG genutzt, um hohe Bußgelder gegen die Firma zu verhängen – in solchen Fällen wird immer geprüft, wer in der Hierarchie verantwortlich war. Insgesamt erinnert § 130 OWiG die Chefs: „Du kannst dich nicht damit entschuldigen, von illegalen Machenschaften im Laden nichts gewusst zu haben – du musst aktiv dafür sorgen, dass sowas gar nicht erst passiert.“ Eine wirksame Compliance und Dokumentation derselben ist daher Gold wert.
Nicht automatisch. Die Zahlung eines Unternehmensbußgeldes (etwa nach § 30 OWiG) schließt ein persönliches Strafverfahren gegen verantwortliche Personen nicht per se aus – es handelt sich um unterschiedliche „Rechtssubjekte“. Allerdings achten Staatsanwaltschaften auf das Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Wenn z.B. gegen eine Firma ein hohes Bußgeld verhängt wurde wegen eines Fehlverhaltens, das auf einzelne Mitarbeiter zurückgeht, stellt sich die Frage, ob diese Mitarbeiter zusätzlich hart bestraft werden müssen. In der Praxis kommt es durchaus vor, dass in Vergleichen oder Deals vereinbart wird, das Verfahren gegen Einzelpersonen zu entschärfen, wenn das Unternehmen Verantwortung übernimmt (und zahlt). Umgekehrt gibt es Fälle, wo eine Führungskraft verurteilt wird und anschließend die Firma gemäß § 30 OWiG mit einer Geldbuße belegt wird – quasi als Doppelfolge. Aus Verteidigungssicht plädiert man dafür, dass eine Doppelbelastung vermieden wird: Hat das Unternehmen bereits „gebüßt“, sollte die persönliche Strafe milde ausfallen oder umgekehrt. Juristisch ist das nicht verbindlich vorgeschrieben (ne bis in idem gilt strikt nur für dieselbe Person), aber in der Strafzumessung kann die Vorleistung des Unternehmens berücksichtigt werden. Kurz: Die Zahlung eines Bußgelds durch die Firma befreit einen Beschuldigten nicht automatisch, aber sie ist ein wichtiges Argument der Verteidigung, um auf Milde oder Einstellung des persönlichen Verfahrens hinzuwirken. Schließlich wurde durch die Unternehmenssanktion schon ein Sühne- und Präventionseffekt erzielt – publikumswirksam zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, entspricht auch dem gerichtlichen Interesse an Verfahrensökonomie.
Fazit: Das Sonderstrafrecht in den genannten Gebieten ist vielschichtig, aber aus Verteidigersicht handhabbar. Wichtig ist eine frühzeitige Beratung, um die Weichen richtig zu stellen – sei es durch präventive Compliance-Beratung oder durch konsequente Verteidigung im Ernstfall. Bei jedem Vorwurf lohnt ein genauer Blick: Oft ist nicht jede Regelverletzung gleich ein Verbrechen. Mit kluger Strategie können viele Konflikte entschärft und die Weichen auf Einstellung oder Milde gestellt werden.


