Haftung des Staates für Schäden infolge unverhältnismäßiger behördlicher Maßnahmen

I. Ausgangsproblem

Die durch den Corona-Virus ausgelöste Wirtschaftskrise rund um die Erkrankung Covid19 hat bereits jetzt zu massiven Schäden bei zahlreichen Unternehmen geführt, die sich aktuell nur noch mit staatlicher Hilfe und Kurzarbeit etc. "über Wasser halten" können.

Staatshilfen in Form von Krediten müssen irgendwann auch wieder zurückgezahlt werden; nur wie, wenn sich die Wirtschaft und das einzelnen Unternehmen nicht wieder ausreichend erholen sollten?

Zudem können die eingetretenen Umsatzeinbrüche und dadurch bereits manifestierten Schäden in Form von Gewinneinbußen nie wieder ausgeglichen werden. Es fehlen daher für die Zukunft auch die notwendigen finanziellen Mittel für Investitionen, da die etwaige noch vorhandene Liquidität anderweitig eingesetzt werden muss.

II.Haftung des Staates nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG)

Behördliche Maßnahmen z.B. nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) lösen unter bestimmten Voraussetzungen kraft Gesetzes entsprechende Ansprüche auf Schadensersatz aus.

Hierzu dürfen wir auf unsere Ausführungen unter AKTUELLES und den dortigen Gliederungspunkt IV. verweisen, zu dem Sie über diesen Link hier gelangen.

III. Amtshaftung / Staatshaftung nach allgemeinen Grundsätzen des Schadensersatzrechts

Schadensersatzansprüche gegen den Staat und seine handelnden Behörden können sich aber auch unter allgemeinen schadensersatzrechtlichen Vorschriften ergeben.

So haften der Staat und seine Rechtsträger / Amtsträger für schuldhaftes und rechtswidriges Handeln durch z.B. unverhältnismäßige behördliche Maßnahmen dann, wenn dieses Handeln zu einem Schaden des Bürgers oder im vorliegenden Fall eines gesamten Unternehmens geführt hat.

Diese allgemeinen Schadensersatzvorschriften im Rahmen der Amtshaftung werden Deutschland noch sehr lange beschäftigen, wenn klar ist, welche staatlichen Maßnahmen nicht hätten getroffen werden dürfen und welche behördlichen Maßnahmen konkret wider wissenschaftliche Erkenntnisse erfolgt sind.

Insolvenzen oder "nur" massive Verluste werden dann Gegenstand von Schadensersatzklagen der einzelnen Unternehmen und Gesellschaften sowie deren Gesellschafter / Anteilseigner oder gegebenenfalls auch der Insolvenzverwalter sein.

Bereits jetzt können Sie derartige Schadensersatzansprüche durch uns prüfen und ggfls. auch durchsetzen lassen.

Hierzu ist - wie immer - eine konkrete und sorgfältige Prüfung des Einzelfalles erforderlich. Der lockdown war - jedenfalls in dem erfolgten Ausmaß - u.U. nicht gerechtfertigt, undifferenziert und daher unverhältnismäßig.

Hieraus können sich Schadensersatzansprüche ergeben, deren rechtzeitige Geltendmachung für Ihr Unternehmen überlebenswichtig sein kann.

IV. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG)

Das oberste deutsche Gericht, das Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in Karlsruhe, auch Hüter der Verfassung genannt, hat im April 2020 bereits mehrere Entscheidungen zu Corona / Covid19 jeweils in Eilverfahren getroffen und darin eine erste rechtliche Einschätzung zur Beeinträchtigung von Grundrechten im Rahmen einer summarischen (vorläufigen und ersten groben) Prüfung abgegeben.

Exemplarisch dürfen wir dabei auf folgende zwei Beschlüsse des BVerfG, jeweils vom 10.04.2020, verweisen:

  • BVerfG, Beschluss vom 10.04.2020, gerichtliches Aktenzeichen: 1 BvQ 28/20
  • BVerfG, Beschluss vom 10.04.2020, gerichtliches Aktenzeichen: 1 BvQ 31/20

In beiden Entscheidungen wurden die Eilanträge, die auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichtet waren, zwar zunächst abgelehnt, dennoch hat das BVerfG deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die aktuelle Situation und die damit einhergehenden "überaus schwerwiegenden Eingriffe" in unterschiedliche Grundrechte rechtlich nach einer ständigen Überprüfung der behördlichen Maßnahmen und Verordnungen verlangen.

Eingriffe können, sofern sie überhaupt gerechtfertigt sind, immer nur kurzzeitig und damit befristet ergehen. Nur so kann die Bundesregierung und die gesamte Exekutive / Verwaltung dem verfassungsrechtlichen Gebot der Verhältnismäßigkeit überhaupt erst gerecht werden.

Damit ist dann - so das BVerfG wörtlich - auch "sichergestellt, dass die Verordnung unter Berücksichtigung neuer Entwicklungen der Corona-Pandemie fortgeschrieben werden muss."

Weiter heißt es in der Entscheidung des BVerfG vom 10.04.2020 zu dem gerichtlichen Aktenzeichen 1 BvQ 28/20 wörtlich wie folgt:

"Hierbei ist - wie auch bei jeder weiteren Fortschreibung der Verordnung - hinsichtlich des im vorliegenden Verfahren relevanten Verbots [...] eine strenge Prüfung der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen und zu untersuchen, ob es angesichts neuer Erkenntnisse etwa zu den Verbreitungswegen des Virus oder zur Gefahr einer Überlastung des Gesundheitssystems verantwortet werden kann, das Verbot [...] unter – gegebenenfalls strengen – Auflagen und möglicherweise auch regional begrenzt zu lockern."

Hiermit wird - wie immer - eine präzise und detaillierte Einzelfallprüfung durch die Verwaltung gefordert, die im Rahmen einer grundrechtlichen Abwägung insbesondere das Gebot der Verhältnismäßigkeit beachtet und dabei eine ganzheitliche Entscheidung trifft.

Unter Bezugnahme auf die Entscheidungen des BVerfG hat sich auch der Richter am Bundesgerichtshof, Dr. Claudio Nedden-Boeger, öffentlich geäußert. Er ist zugleich Mitglied des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster.

Seine durchaus sehr kritische rechtliche Stellungnahme zu den aktuellen Maßnahmen des Staates veröffentlichte er als Gastkommentar am 27.04.2020 im Handelsblatt.

Seine Kritikpunkte können u.E. wie folgt - teilweise wörtlich oder in indirekter Rede wiedergegeben - zusammengefasst werden:

  • "Merkwürdige Diktion" der Bundesregierung: ursprünglich wollte man am 30.04.2020 über weitere Lockerungen beraten, obwohl der verfassungsrechtliche Maßstab vielmehr verlange, dass nicht Lockerungen einer Beratung und Einigung bedürften, sondern im Gegenteil die Aufrechterhaltung der Grundrechtsbeschränkungen einer stetig erneuerten verfassungsrechtlichen Legitimation bedarf.
  • Einzelne Maßnahmen seien umgehend und nicht erst an den von der Regierung vorgegebenen Stichtagen aufzuheben, wenn sich neue Erkenntnisse in der Pandemie zeigten. Statt dessen erkläre Bundeskanzlerin Merkel, sie wolle nicht bereits am 30.04.2020, sondern erst am 06.05.2020 "über weitere Lockerungen" beraten.
  • Kanzlerin Merkel diktiere damit in föderalismusbedenklicher Weise in Länderzuständigkeiten hinein.
  • Kanzlerin Merkel unterschätze dabei das Risiko, dass einzelne Gerichte die anstehenden Neuverordnungen der Bundesländer für die Zeit nach dem 03.05.2020 komplett außer Vollzug setzen könnten, wenn diese nicht durch eine stetig aktualisierte Vergewisserung über die weitere Notwendigkeit und Angemessenheit der Maßnahmen getragen seien.
  • Das Maßnahmenpaket könne möglicherweise nicht allein mit der lapidaren Begründung, man verfüge noch über keine neuen Erkenntnisse, aufrechterhalten werden. Unter Bezugnahme auf die jüngsten Äußerungen des Bundestagspräsidenten Schäuble stellt Nedden-Boeger klar, dass die Güterabwägung der aktuell verfolgten Seuchenbekämpfung mit den psychischen, soziologischen und ökonomischen Schäden ohnehin nicht über jeden verfassungsrechtlichen Zweifel erhaben sei.
  • Mit jeder (zeitlichen) Ausdehnung der Maßnahmen und der Freiheitsbeschränkungen wüchsen die rechtlichen Anforderungen an deren Begründung, schon weil die Schäden und Nachteile dynamisch anwachsen würden.
  • Grundrechtseingriffe als "neue Normalität" zu bezeichnen, sei erneut eine "merkwürdige Diktion"; vielmehr handele es sich doch um einen Ausnahmezustand, der fortlaufend gerade einer Rechtfertigung bedürfe.
  • Es sei eine verfassungsrechtliche Pflicht, die Prozesse laufend nachzusteuern und zeitnah auf das jeweils Notwendige zu beschränken. Dabei müssten Zielvorstellungen und Abwägungsprozesse transparent kommuniziert werden.

FAZIT / AUSBLICK:

Es ist und bleibt den Gerichten vorbehalten, über Einschränkungen der Grundrechte zu entscheiden; und genau darauf wird es hinauslaufen, da die bereits eingetretenen und die noch zu erwartenden Schäden derart massiv sind.

Neben Einstweiligen Verfügungen und Anordnungen durch die Gerichte werden vor allem Schadensersatzprozesse vor Gericht verhandelt werden, innerhalb derer sodann die Rechtmäßigkeit vergangener behördlicher / staatlicher Maßnahmen zu prüfen sein wird.

Ob, wann und gegenüber wem eingetretene oder zukünftig noch drohende Schäden / Nachteile / Verluste / entgangene Gewinne etc. (gerichtlich) geltend gemacht werden können, sollte daher rechtzeitig und rechtlich sorgfältig geprüft werden, um sodann ggfls. schnell handeln zu können.

 

V. Aktuelle Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes

Der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes (VerfGH) hat am 28.04.2020 zu dem gerichtlichen Aktenzeichen Lv 7/20 eA eine Entscheidung zu Eingriffen in das Grundrecht der Freiheit der Person, konkret zu Ausgangssperren, getroffen, die weitreichende Konsequenzen haben könnte und zudem vermutlich der Startschuss zu weiteren gerichtlichen Verfahren und Entscheidungen in diesem Bereich ist.

Die Entscheidung des saarländischen VerfGH finden Sie als PDF-Dokument hier zur vollständigen Ansicht und zum Download.

Der saarländische VerfGH hat entschieden, dass die strengen Ausgangsbeschränkungen sofort zu lockern sind. Davon geht eine Signalwirkung für die gesamte Bundesrepublik Deutschland aus.

Zentrale Argumentation der Verfassungsrichter ist, dass bislang keine ausreichenden wissenschaftlichen Erkenntnisse für die Wirksamkeit der Ausgangsbeschränkungen vorliegen.

Der saarländische VerfGH hat die Entscheidung in ihren wesentlichen Kernpunkten auf der gerichtlichen Homepage wie folgt zusammengefasst:

  1. Eingriffe in das Grundrecht der Freiheit der Person - wie Ausgangsbeschränkungen - bedürfen einer begleitenden Rechtfertigungskontrolle. Je länger sie wirken, desto höher müssen die Anforderungen an ihre Begründung und an ihre Kohärenz mit anderen Regelungen des Zusammentreffens von Menschen sein.
  2. Das Grundrecht auf Schutz der Familie schützt auch die Begegnung mit Angehörigen einer Familie, die nicht dem eigenen Haushalt angehören.
  3. Die Ausübung eines Grundrechts ist nicht rechtfertigungsbedürftig. Vielmehr bedarf seine Einschränkung der Rechtfertigung, die zwischen der Tiefe des Eingriffs einerseits und dem Ausmaß und der Wahrscheinlichkeit der drohenden Gefahr, zu deren Abwendung die Einschränkung erfolgt, nachvollziehbar abwägen muss.
  4. Der Exekutive kommt bei ihrer Gefahrenprognose ein grundsätzlich weiter Einschätzungsspielraum zu. Mit zunehmender Dauer der Grundrechtsbeschränkung bedarf es indessen einer immer tragfähigeren tatsachengestützten Begründung von Risiken, die durch eine Aufhebung der konkreten Form der Ausgangsbeschränkung befürchtet werden. Reine Vermutungen genügen dazu ebensowenig wie die Feststellung, dass sich weiterhin Neuinfektionen ereignen. Dabei muss auch die Wahrnehmung der Einschätzungsprärogative durch die Regierungen anderer Bundesländer in Erwägung gezogen werden.
  5. Es stellt keine konsistente Regelung der Ausübung des Grundrechts der Freiheit der Person dar, wenn die Begegnung von Angehörigen im öffentlichen Raum unter Wahrung des Abstandsgebots gestattet wird, jene im privaten indessen nicht.
  6. Ist die Bewegung im Freien unter Wahrung des Abstandsgebots nicht verboten, sind keine Gründe zu erkennen, das Verweilen im Freien unter den gleichen Bedingungen zu untersagen.
  7. Die irreversiblen Folgen einer uneingeschränkten Fortdauer des Eingriffs in das Grundrecht der Freiheit der Person haben bei Abwägung mit den möglichen Folgen ihrer teilweisen, auf den familiären Bereich beschränkten Aussetzung angesichts der relativen Entwicklung der Infektionszahlen im Verhältnis zur Einwohnerzahl von grenznahen Bundesländern mit und ohne Ausgangsbeschränkung und angesichts vorliegender Studien zu ihrer Wirkungsweise im Vergleich zu anderen bereits teilweise aufgehobenen Maßnahmen der Pandemiebekämpfung sowie angesichts der Inkonsistenz der Regelungen höheres Gewicht.


VI. Ihre Fachanwälte und Spezialisten im Wirtschaftsrecht

Unsere Kanzlei für Wirtschaftsrecht betreut mit Ihren erfahrenen Fachanwälten sämtliche Rechtsgebiete, die für die Prüfung und gerichtliche Durchsetzung obiger Schadensersatzansprüche gegen den Staat erforderlich sind.

Wir beraten und vertreten Sie bundesweit.

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